Weissmies (4017m) und Lagginhorn (4010m) über Weissmieshütte (2726m)

03.-06. August 2025

Da die Walliser Alpen eine der weitläufigsten Gruppen im Alpenbogen sind und zudem eine extreme Bandbreite an Tourenmöglichkeiten bieten, fällt meine Wahl für meine „große“ Sommertour in der Ortsgruppe Steingaden heuer auf die Berge rund um Saas Fee. Das Weissmies und das Lagginhorn bestechen augenscheinlich auf der Karte natürlich mit ihrer Höhe, die bekanntermaßen bei beiden Bergen knapp über der 4000er-Marke liegt und zudem sind beide Gipfel für alpinistisch versierte Otto-Normal-Verbraucher recht dankenswert und leicht erreichbar, vorausgesetzt, die Verhältnisse passen. Es geht also los, an einem Sonntagmorgen, ganz zeitig in der Früh…

Vorbildlicherweise pressen wir uns aus Nachhaltigkeitsgründen zu fünft samt Hochtourenausrüstung und was man für vier Tage im Hochgebirge sonst so braucht in unseren Mittelklassewagen und über Oberalp- und Furkapass erreichen wir, nachdem wir uns am Hotel Belvedere am Rhonegletscher durch eine ca. 200 „Peugeot 205“ umfassende Autorallye gekämpft hatten, pannenfrei am frühen Nachmittag die Talstation Saas Grund (1560m) im Saastal. Die Wetterprognose für die kommenden Tage ist nach einer Schlechtwetterphase mit Neuschnee bis ca. 3000 m Gott sei Dank vielversprechend. Die Gipfel sind (noch) weiß, die Gletscher schnee- und firnbedeckt, was heutzutage um diese Jahreszeit ja eher selten der Fall ist, jedoch die Bedingungen am Gletscher wesentlich verbessert hat, ganz abgesehen von dem imposanten Bild, das die Gletscher im Neuschneegewand abgeben. Ein Teil der Gruppe schont die Kräfte für den kommenden Tag, an dem gleich mal die Besteigung des Weissmies auf dem Programm steht und nutzt die Gondelbahn zumindest mal bis zur Mittelstation Kreuzboden. Ich gehe – mit einem Teilnehmer – den ganzen Aufstieg natürlich zu Fuß…

Die Bedingungen sollten durch die Neuschneeauflage, die sich inzwischen gesetzt hat, optimal sein und dem Lagginhorn, dessen gletscherfreie Besteigung für den zweiten Tag geplant ist, geben wir noch einen Tag Zeit, um seine Gipfelfelsen in der Augustsonne abzutauen, so die Taktik. Und die Taktik geht auf: Nach dem Frühstück um 4:00 Uhr geht’s endlich los, die Gipfel sind noch wolkenfrei und die Nullgradgrenze bei ca. 3300m, besser geht’s nicht. Der Aufstieg über Hohsaas und den zunächst flachen Triftgletscher bereitet keine Probleme. Die NW-Flanke des Weissmies hält dennoch einige recht steile Passagen bereit, die im trittfesten Firn jedoch sehr gut zu machen sind und so erreichen wir das Becken in der obersten Gipfelflanke recht zügig. Ich hatte ja schon den ganzen Aufstieg die Windprognose im Kopf, der lt. Meteoblue und anderen recht substantiell aus NO daherkommen soll und so war es dann auch. Wir konnten uns kaum erlauben, eine Pause einzulegen, außer um kurz mal alles anzuziehen, was wir dabei hatten. 60km/h bei einer Lufttemperatur von -5°C (ohne Windchill wohlgemerkt!), da gibt’s angenehmere Sachen. Ich glaube, das Gipfelfoto spricht da Bände, da brauchts keiner weiteren Erläuterungen mehr… Die Wolken, die zwischenzeitlich aufgezogen waren, lichteten sich ca. 100m unterm Gipfel und wir waren froh, aus dem Ärgsten wieder herausgekommen zu sein. Dennoch ein traumhaftes Erlebnis für alle, zumal wieder einige der Teilnehmer ihren persönlichen Höhenrekord gebrochen hatten. Lehrbuchmäßig verließen wir den Triftgletscher wieder um die Mittagszeit und es blieb nachmittags noch Zeit auf der Hütte für Apfelstrudel, Weißbier und den Blick nach Saas Fee.

Der zweite Tourentag, der uns über den SW-Grat aufs Lagginhorn führt, beginnt wiederum wolkenfrei. Zwei Teilnehmer entscheiden sich, mitzugehen, während die andere Hälfte sich am höchsten Klettersteig der Alpen, aufs 3206m hohe Jegihorn, versucht. Um 5 Uhr morgens taucht die aufgehende Sonne die komplette Mischabelgruppe vom Mischabeljochbiwak bis über den gesamten Nadelgrat in ein tiefrotes Licht. Wir steigen in gleichmäßigem Tempo, anfangs mit Stirnlampen durch Blockwerk den unteren Teil des SW-Grates hinauf, der hier eher noch als Rücken zu bezeichnen ist, während der Blick auf den in rosa getauchten Allalin- und Feegletscher unter den Ostwandabbrüchen von Dom und Täschhorn Gänsehautfeeling verursacht, und zwar nicht nur bei der morgendlichen Teepause. Die einzige, etwas anspruchsvollere Stelle (III-) im Mittelteil des Grates, entpuppt sich als nicht ausgesetzte, bei trockenen Verhältnissen im Fels, die wir ja hatten, leicht zu überwindende Platte. Die mitgenommenen Steigeisen sowie der Pickel erweisen sich jedoch ab ca. 3600m als äußerst nützlich, um nicht zu sagen, überlebenswichtig und so überwinden wir die oberen 400 Höhenmeter im sehr gut gangbaren Firn immer am relativ breiten Grat entlang. Bis kurz vorm Gipfel blieb uns der lästige Wind vom Leib, da wir uns stets auf der Leeseite des Berges bewegen, am Gipfel schlägt er jedoch wieder erbarmungslos zu, so dass wir zusehen müssen, dass uns die Finger beim Fotografieren nicht einfrieren. Und zu Fotografieren gabs oben bei klarer Sicht mehr als genug. Der Blick schweift von der Mischabelgruppe im Westen zu allen Viertausendern südlich von Saas Fee bis zum Simplon und zu den Gipfeln des Berner Oberlandes incl. Aletschgletscher im Osten und Norden. Was jedoch am bemerkenswertesten ist: Im Südosten ist ganz deutlich ein recht großer See zu erkennen, das kann ja nur der Lago Maggiore sein. Und so kommen recht plötzlich Fernweh und Sehnsuchtsgelüste nach weiter südlich gelegenen Zielen auf, anstatt nach der Tour langweiligerweise einfach nach Deutschland zurückzufahren. Zunächst jedoch steht uns noch der Abstieg am gleichen Grat bevor, was aber für sichere Steigeisengeher kein Problem darstellt. Um die Mittagszeit erreichen wir wieder die Hütte, so dass noch genügend Zeit bleibt, sich nachmittags dann noch mit dem Klettersteig aufs Jegihorn (3206m) zu beschäftigen. Dort oben: windstille Verhältnisse in der Nachmittagssonne, so kann ein ausgiebiger Tourentag ausklingen, was wir uns nach knapp 2000 Aufstiegshöhenmetern auch verdient hatten. Und jetzt bleibt nur noch die Aufgabe übrige, die gesamte Gruppe davon zu überzeugen, dass wir unseren vierten Tourentag für einen Abstecher mit Badestopp und Mittagessen am Lago Maggiore nutzen. Nichts war leichter als das! Nachdem alle dem Vorschlag begeistert zugestimmt hatten, nehmen wir am letzten Tag alle die Gondelbahn (ok, jetzt doch die Gondelbahn, ich gebs zu) nach Saas Grund, wir wollen ja keine Minute verlieren, um möglichst lang noch im See baden zu können. Der Plan ging auf: Über den Simplon und Domodossola geht’s recht direkt hinüber, man glaubt gar nicht, wie nahe der Lago Maggiore an den Walliser Alpen liegt. Es hatte zwar keiner von uns eine Badehose dabei, warum auch, auf 4000 m über Normalnull, aber das Baden in der Unterhose tat dem ganzen Spass keinen Abbruch. Die Handtücher hatte ich kurzerhand aus einem Hotel, dessen Besitzer ein mittlerweile guter Freund geworden ist, organisiert und das etwas spätere Mittagessen an der Promenade von Cannobio, genauso wie selbstverständlich der eigentliche Grund des Ausfluges, die Besteigung von Weissmies und Lagginhorn wird wohl allen, die dabei waren immer in Erinnerung bleiben!

Niko Fischer

AV Sektion Peiting, Ortsgruppe Steingaden