Berliner Höhenweg mit drei 3000ern, 16.-23. Juli 2022
„Zillertal, du bist mei Freud!“ So könnte man unsere Tourenwoche 2022 von der Steingadener Ortsgruppe schon ganz gut beschreiben, aber a bissl wollen wir schon noch besser ins Detail gehen: Gleich 7 Teilnehmer haben sich entschlossen, bei dieser 8-tägigen Genussrunde mitzugehen und so ging es mit 2 Autos am Samstag, den 16. Juli morgens in Steingaden los. Über Bad Tölz, Sylvenstein und Achenpass rauschen wir unserem Wochenziel, dem Zillertaler Hauptkamm entgegen und schaffen es pünktlich mittags in Finkenberg bei strahlendem Sonnenschein Richtung Gamshütte (1916m) abzumarschieren. Zum Wetter in dieser Woche gibt’s ehrlichgesagt nicht viel zu erzählen: Sonnig, heiß und knochentrocken. Nicht gerade gletscherfreundlich, wie die Abschmelzraten historischen Ausmaßes in diesem Sommer bewiesen haben. Die ersten gut 1000 Höhenmeter der Woche sind alsbald geschafft und so stehen uns noch rund zwei, drei Stunden bis zum Abendessen zu Verfügung, die nähere Hüttenumgebung zu erkunden, z.B. die 2765m hohe Vordere Grinbergspitze, die, bei zugegebenermaßen strammem Schritt, in 55min erreichbar ist. Die große Mehrheit der Gruppe, um nicht zu sagen alle, haben allerdings das Angebot angesichts der bevorstehenden zweiten Tagesetappe (9h reine Gehzeit) dankend abgelehnt und den restlichen Nachmittag bei Apfelstrudel und Bier auf der Hüttenterrasse verbracht. Oder die abenteuerlichste Dusche im Zillertal, wenn nicht in den ganzen Ostalpen, genommen: Hinter der Hütte steht unter freiem Himmel mit ungehindertem 1000m-Tiefblick ins Floitental ein Wasserrohr mit Brausekopf hinter einem knapp hüfthohen Holzverschlag aus dem Boden raus. Welch ein befreiendes Erlebnis! Nach unserem allabendlichen Pflichttermin (nein, nicht die Dusche!), nämlich der Tourenbesprechung des folgenden Tages, die jeden Abend mit großem Interesse von den Teilnehmern (und des öfteren auch Nicht-Teilnehmern) verfolgt wird, geht’s hinüber ins Schlafgemach, denn der nächste Tag wird streng. Die erste Diskussion des zweiten Tages, sowie im Allgemeinen auf Mehrtagestouren mit Matratzenlagerübernachtungen üblich, geht um die lautstarken nächtlichen Aktivitäten der (nicht immer nur!) männlichen Teilnehmer. Nachdem die Schuldfrage endlich geklärt ist (es san ja immer die gleichen, da nehm ich mich ja net aus, Anm. des Verf.), kanns Richtung Friesenberghaus losgehen.
Eine der schönsten Etappen des ganzen Höhenweges gleich zu Beginn und das bei dem Wetter: Der schmale Pfad führt uns durch weite Kare hoch über der Baumgrenze in zunächst furchterregend steilen Grashängen vorbei an der Feldalpe und Pitzenalpe zum Wesendlekarsee, der noch für einen kleinen FKK-Badestopp herhalten muss, bis hin zum Friesenberghaus (2498m). Hier sei noch eine kleine geographische Lehreinheit übers hintere Zillertal eingestreut: Wir begehen den Berliner Höhenweg gegen den Uhrzeigersinn, was bedeutet, dass wir in den ersten Tagen den kompletten Tuxer Hauptkamm von Finkenberg bis nach Südtirol hinterm Pfitscherjoch entlang queren. Da der Tuxer Hauptkamm parallel zum Zillertaler Hauptkamm in SW-NO-Richtung verläuft haben wir täglich eine Paradeaussicht auf die vergletscherten Schmuckstücke dieser Ostalpengruppe. Dem Zillertaler Hauptkamm entragen mit Hochfeiler, Hochferner, Großem Möseler, Turnerkamp, Schwarzenstein und Großem Löffler einige der schönsten und höchsten Gipfel der Ostalpen! Zudem wird der Zillertaler Hauptkamm ausgehend von jedem der hohen Gipfel von einem nördlichen Seitenkamm flankiert, der in fast rechtem Winkel vom Zillertaler Hauptkamm weg auf den Tuxer Hauptkamm zuläuft. Dadurch entstehen eine Reihe von tief eingeschnittenen Seitentälern mit vergletschertem Talhintergrund wie die Floite, die Gunggl, der Zemmgrund, das Schlegeis oder das Haupental, welche im Laufe der ersten drei Tage mit unglaublichen Tiefblicken an uns vorüberziehen. Am Friesenberghaus angekommen richten sich unsere Tiefblicke (wie jeden Abend) jedoch eher in Richtung der Biergläser und so endet der zweite Tag nach 10h in geselliger Runde, die der dortige Hüttenwirt, wie es allabendlich auf dem Friesenberghaus der Brauch ist, mit seinem ausführlichen Wetterbericht garniert. Seine Hinweise, sich dick mit Sonnencreme einzuschmieren nehmen wir ernst, denn am dritten Tag steht unser erster 3000er auf dem Programm, der Hohe Riffler (3228m), den wir morgens über den Südgrat bezwingen. Es geht hier in leichter Blockkletterei, jedoch teilweise recht steil bergan und es ist jedes Mal wieder ein ganz besonderes Vergnügen für den Tourenführer, wenn einige der Teilnehmer ihren bisherigen Höhenrekord beim Bergsteigen einstellen können, so auch diesmal. Die grandiose Fernsicht reicht von den Ammergauern bis zum Großglockner und in die Berninagruppe. Nach mehr als 1-stündiger Gipfelrast mit Fotoshooting in allen Positionen (der Gipfel ist Gott sei Dank geräumig genug) steigen wir am gleichen Weg wieder ab und gleich weiter zum nächsten Nachtquartier, der Olpererhütte (2389m) mit ihrem Instagram-Hotspot, der Hängebrücke überm Gletscherabfluss des Riepenkeeses (Ja, liebe Instagram-Community, so heißt der Bach, zu dessen Überquerung diese Brücke eigentlich gebaut wurde, auch wenn die allermeisten, also quasi ALLE, die sich da oben in den unmöglichsten Aufzügen ablichten lassen, keine Ahnung haben, wo sie sich eigentlich befinden!!!). OK, ich muss gestehen, auch unsere Gruppe hat darauf bestanden, sich hier ablichten zu lassen, aber wir wussten wenigstens, wo wir uns befinden! Am Abend jedoch, wenn sich der Trubel dort oben beruhigt hat, ist die Terrasse der Olpererhütte eine super Aussichtsloge ins Gletscherrund des Schlegeisgrundes. Der vierte Tag führt uns in sehr einsames, wunderbares Gelände, nämlich über die Riepenscharte (2864m) ins Unterschrammachkar an den Gletscherbrüchen des Unterschrammachkeeses unter der Olperer-S-Wand vorbei. Eine größere Vermurung und eine vereiste Lawinenrinne zwingen uns noch zu einem kleinen Umweg, aber bald erreichen wir nach dem Ameiskopf das Oberschrammachkar und gegen Mittag das vorbildlich geführte Pfitscherjochhaus (2275m), welches zu einer Mittagspause einlädt. Von dort sind es wiederum 550Hm Abstieg ins Pfitschtal bis zur dritten Kehre (1720m) der Straße von Stein in Pfitsch herauf bevor es in der sengenden Mittagshitze dann durchs Unterbergtal zur Hochfeilerhütte (2710m) weitergeht.
Die Luft dort im hohen Gras ist förmlich gestanden und an dem Tag hat es schon ein paar Mal gut zureden gebraucht. Gott sei Dank kommen wir unterwegs an einem Gräblein vorbei, das noch a bissl Wasser geführt hat, um uns von Kopf bis Fuß incl. Klamotten nasszumachen, sonst wären glaub ich ein paar Hitzetote zu beklagen gewesen. Auf der Hochfeilerhütte, die unser Quartier für die kommenden zwei Nächte ist, werden wir vom selten netten Hüttenteam jedoch für alle Strapazen entschädigt, mit Bier und Kuchen und was das Herz noch so begehrt. Ich lehne mich bei der Tourenbesprechung noch aus dem Fenster und verspreche, mit der Gruppe bei Sonnenaufgang auf dem höchsten Zillertaler Gipfel, dem Hochfeiler zu stehen. Das Angebot wurde allerdings nur von einer Teilnehmerin wahrgenommen, die anderen haben lieber ausgeschlafen, also geht’s für uns zwei um halb drei los Richtung Gipfel, den wir locker bis um halb 5 weit vor Sonnenaufgang über den Südwestgrat erreichen. Morgendämmerung auf 3510m, das hat man nicht alle Tage, schee wars Caro! Und rechtzeitig zum Frühstück mit den anderen um halb 8 sind wir wieder auf der Hütte. Nach 800Hm Morgensport zwischen halb drei und halb 8 da hat so einiges Platz im Magen! So, jetzt bleibt natürlich nix anderes übrig, als ein zweites Mal mit dem Rest der Gruppe zum Gipfel aufzusteigen, was wieder ein ganz anderes herrliches Erlebnis war! Die unglaubliche Fernsicht krönen wir dann noch mit einem Gipfelgsangl, welches natürlich auf Video mit dazugehörendem Hochfeiler-Panorama dokumentiert wurde: „Vom Zillertal außa“. Am Nachmittag sind dann wieder alle auf der Hütte vereint und lassen sich die wohlverdienten Feierabendhalben(!) schmecken. Ein kleiner Ausflug in weglosem Gelände zur Gletscherzunge des Gliderferners unterhalb der Hochfeilerhütte rundet den Tag ab (oder hat noch das letzte abverlangt, wie man´s nimmt), aber dann is endgültig Feierabend für heut, denn der nächste Tag hat wieder viel an Wegstrecke und Höhenmetern zu bieten. Es geht zurück zur dritten Kehre der Straße zum Pfitscherjochhaus, wo uns eine Taxibushaltestelle Hoffnung verleiht, die 550Hm bis dort hinauf schneller hinter uns zu bringen. Nach längerer Diskussion, wer denn jetzt den Bus nimmt und wer alles laufen will stellt sich bei genauerer Betrachtung des Fahrplanes für einige ernüchternd heraus, dass man den Bus hätte telefonisch bestellen müssen! Also gut, dann lauf mer halt alle. Das Mittagessen auf dem Pfitscherjochhaus schmeckt wieder genauso gut wie zwei Tage vorher und nach dem Abstieg zum Schlegeisstausee (1780m) geht’s noch weiter bis zum Furtschaglhaus (2293m) gegenüber der Hochfeiler-Nordwand. Am Furtschaglhaus haben, wie auf so vielen Hütten am Berliner Höhenweg (Kassler Hütte, Berliner Hütte, Friesenberghaus, Gamshütte) die Pächter innerhalb der letzten zwei bis drei Jahre gewechselt und wir haben es auch hier, so wie auf allen Hütten mit wirklich saunetten Leuten zu tun. Ein großes Lob sei hier einmal ausgesprochen an alle, die da oben über den Sommer ihren Dienst machen und nicht nur das, es waren ausnahmslos saugesellige Abende mit euch! Der siebte Tag steht bevor und damit auch unser dritter und letzter 3000er diese Woche: Die Überschreitung des Schönbichler Hornes (3133m). In direkter Nachbarschaft der Furtschaglspitze und des Großen Möseler gelegen ist das Schönbichler Horn bei entsprechenden Wetterverhältnissen eine echte Genusstour und die hatten wir. Über Gehgelände erreichen wir den Wandfuß und über einen kurzen drahtseilversicherten Steig die Schönbichler Scharte, von der es nur noch wenige Höhenmeter zum Gipfel sind. Dieser wartet auf mit grandiosen Tiefblicken in die Eiswildnis des Waxeggkeeses, einem der großen Gletscher am Zillertaler Hauptkamm zwischen Möseler (3480m) und Turnerkamp (3420m). Immer mit der Berliner Hütte vor dem Auge machen wir uns nach langer Gipfelpause an den Abstieg über den NO-Grat, welcher schon a bissl Kraft und Geschick abverlangt, obwohl die obersten 200Hm drahtseilversichert sind. Nach Überquerung der Gletscherabflüsse von Waxegg-, Horn- und Schwarzensteinkees erreichen wir glücklich die Berliner Hütte (2042m), wo wir neben dem guten Essen noch das Ambiente genießen und bestaunen können. In dem denkmalgeschützten Alpenvereinsschloss diniert man in einem kronleuchterbestückten Speisesaal von 5,50m Deckenhöhe! Und auch der Rest der Hütte kann sich sehen lassen: Vom weitläufigen Treppenhaus gelangt man in die Schlafkammern, welche noch mit den Möbeln aus dem frühen 20. Jahrhundert ausgestattet sind. Es gibt dort sogar einen eigenen Damensalon, da ums Jahr 1900 rum auch die Damenwelt damit begonnen hat, die Berge zu erobern und es sich zur damaligen Zeit nicht ziemte, dass Männlein und Weiblein gemeinsam zu Abend gegessen haben. Kurzum, die Berliner Hütte allein ist schon einen Besuch wert, auch ohne Ambitionen, die höchsten Gipfel zu besteigen.
Nach einem gebührenden Wochenabschluss am Abend des siebten Tages steht am letzten Tag nur noch der Abstieg zum Breitlahner (1254m) auf dem Plan, den wir um die Mittagszeit, gerade recht zum Einkehren erreichen, bevor es mit dem Postbus zurück nach Finkenberg geht, zu dem Parkplatz, an dem wir vor 8 Tagen gestartet sind und jedem kommt es vor, als wär das schon eine Ewigkeit her gewesen. Kein Wunder, bei dem, was wir zwischenzeitlich alles erlebt haben. Für mich, und ich glaube, ich kann da für die ganze Truppe sprechen, war der Berliner Höhenweg mal wieder ein Höhepunkt des ganzen Jahres und ein Erlebnis, das man nicht mehr vergisst. Respekt an die gesamte Truppe: Hans und Brigitte, Berndl, Toni, Caro, Mathias und Uli, die ihr jeden Tag mit voller Begeisterung dabei wart, was bei den Tagesleistungen wirklich außergewöhnlich is. Die Steingadener halten halt no was aus, ge! Ich hab die Höhenmeter (noch) net zamgerechnet, aber mit sämtlichen Extratouren und sonstigen Gegenan- und abstiegen werden es bald an die 10000Hm gewesen sein. Des macht man auch nicht jede Woche. So bleibt mir nur übrig, Dankschön zu sagen für die schöne Zeit und ich denk, dass auch die nächsten Jahre wieder was Gscheits zusammengeht.
Niko Fischer