Anspruchsvolle Skidurchquerung in der Dauphiné
Am Sonntag, den 06.04.2025 machten wir uns, Markus, Paul, Bernhard, Gabriel, Markus und Timo, mit dem Bus des SC Halblech, auf den Weg nach La Grave in Frankreich. Die Autofahrt führte uns durch den Pfändertunnel, vorbei am Bodensee, Zürich, Bern, Lausanne, Genf, Annecy, Grenoble und schlussendlich nach La Grave, eines der schönsten Dörfer Frankreichs, auf 1500m, in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Dort angekommen bezogen wir eine Ferienwohnung im Gîte de la roche, eine ziemlich skurrile Bude mit sehr abgefahrenen Betreibern und Gästen, die seit Tagen das „Derby“ von La Grave feierten, ein legendäres Freeride-Rennen mit Startern aus über 20 Nationen. Anschließend ging es zu einem kleinen Spaziergang durch den Ort und einer Einkehr zwischen den anwesenden Freeridern und Skibergsteigern, welche in den Bars saßen, behangen mit Eisschrauben und Prusikschlingen an Ihren Sitzgurten und sonnenverbrannten Gesichtern. Die vermeintlich letzte Dusche für diese Woche und das Abendessen gab es dann in unserer Unterkunft. Für einen erholsamen Schlaf, sorgte noch der Rotwein.
Am nächsten Morgen wurde das Frühstücksbuffet von uns, mehr oder weniger selbst eröffnet, da sich die Herbergs-Wirtin vermutlich zur abgemachten Uhrzeit noch im Delirium befand. Das Derby wurde nämlich ein letztes Mal gefeiert, sozusagen das Finale Furioso. Trotzdem bekamen wir genügend an Frühstücks-Speisen und Kaffee und waren bestens vorbereitet für unsere Skidurchquerung. Nachdem alles gepackt und eingeladen war, fuhren wir zum Parkplatz in Villar-d´Arêne, um dort den SC-Bus nahe dem Campingplatz abzustellen. Nun sollte es also endlich losgehen. Die Ski mussten zunächst noch an den Rucksack und wurden von uns ca. 45 min auf einem schönen Wanderweg in Richtung Refuge de L´Alpe villar- d´Arêne getragen. Danach ging es, wie von uns erhofft auf Schnee bis zum Refuge 2077m, wo wir einen schnellen Check-In machten und mit leichten Rucksäcken aufbrachen, in Richtung Pic Du Dragon 3188m. Bei herrlichem Wetter stiegen wir in mäßigem Tempo auf bis zu einer Scharte in Gipfelnähe und allen ging es gleich, es war zunächst noch sehr ungewohnt in dieser Höhe zu atmen. Die Luft war einfach schon ein wenig dünner. In der Abfahrt wurden wir mit einem schönen Pulver-Hang belohnt und es ging wieder zurück zur Hütte. Zu unserer Überraschung gab es hier eine Dusche, die wir nochmals nutzten und am Abend ein feines Essen mit …natürlich Rotwein.
Am zweiten Tourentag wollten wir auf den Montagne des Agneaux 3664m. Gleich nach dem Frühstück konnten wir uns abermals mit leichteren Rucksäcken auf den Weg machen, um einen großartigen Tourentag bei bestem Wetter und perfekten Bedingungen zu genießen. Wie schon am Vortag gingen wir in Richtung Lac du Glacier d´Arsine, schließlich aber aufs Plates du Réou d´Arsine auf eine steil zu erreichende Scharte. Dort oben angekommen, „bauten“ wir auf Steigeisen um und stiegen eine 50° steile Rinne ab, um den Glacier du Casset zu erreichen. Von dort mussten nochmals gut 400 Höhenmeter aufgestiegen werden um den Sattel, ca. 50 Meter unter dem Gipfel zu erreichen. Nochmals kamen die Steigeisen zum Einsatz und wir erreichten unschwierig den Gipfel des Montagne des Agneaux. Highlight war, dass wir von hier den Barre des Écrins 4102m und den Pellvoux 3932m erstmalig bestaunen konnten. Zurück zum Refuge ging es auf der gleichen Route, was bedeutete, dass wir nochmals mit den Steigeisen, bei sengender Hitze das steile Couloir aufsteigen mussten. Gabriel hatte hierfür einen besonderen Trick und spielte mit seinem Smartphone den Marsch „Die Sonne geht auf“ ab, was unwahrscheinlich motivierend war und dadurch alles schier von selbst ging. Zurück an der Hütte konnten wir wieder duschen, Bier, Rotwein und ein feines Essen genießen. Immerhin hatten wir an diesem Tag 1900HM und 22 KM bewältigt. Außerdem besprachen wir noch die Tour vom nächsten Tag.
Nach einem reichhaltigen Frühstück starteten wir mit vollem Gepäck, diesmal mit einer Abfahrt, in Richtung Glacier de la Plate des Agneaux. Auf einer Höhe von ca. 2000m kamen die Felle auf die Ski und wir folgten dem Tal in Richtung Süden bis auf 2200m. Dort bauten wir auf Steigeisen um, die Ski kamen an den Rucksack und wir stiegen eine 35° – 40° steile, harte Flanke auf. Nach kurzer Zeit holten wir eine 8-köpfige Gruppe aus Österreich ein und konnten unseren Weiterweg mit Ski, allerdings in Kombination mit Harscheisen fortführen und den Col Emil Pic 3483m erreichen. Dort trafen wir auf eine französische Gruppe mit 2 Bergführern, mit denen wir eine gemeinsame Abseilpiste über eine senkrechte Felswand einrichteten. In dieser spektakulären Umgebung, mit Nebelreißen, Sonnenschein und Blick auf den Écrins, durften wir als erstes die Seile der Franzosen nutzen und erreichten somit wieder Skigelände, um aufs Refuge Glacier Blanc 2550m abzufahren. Auf der Abfahrt deponierten wir die beiden Seile für den nächsten Tag, um diese nicht auf der gesamten Strecke wieder hochtragen zu müssen. Am Refuge wurden wir von der sehr sympathischen Hüttenwirtin empfangen und bekamen auch schon unser Lager zugewiesen. Der Ablauf bzw. die Fragen waren immer die Gleichen. Essen alle normal? Trinkt Ihr Kaffee oder Tee? Wann wollt Ihr Frühstück? Habt Ihr ein Picnic bestellt? Die Thermoskannen stellt Ihr bitte nach dem Abend essen an die Theke, damit sie morgen früh gefüllt werden können. Wir waren also schon in einem gewissen „Trott“, den wir aber alle als sehr angenehm empfanden. Nach der Tourenbesprechung für den nächsten Tag, einem leckeren Essen und … Rotwein genossen wir noch einen Blick, während dem Zähneputzen, zum Pellvoux, umhüllt von einem gewaltigen Sternen Himmel. Anschließend ging es ins Lager, das wir uns mit zwei Holländern teilten.
Am nächsten Tag, wir hatten das Frühstück auf 5 Uhr bestellt, stiegen wir im Schein der Stirnlampen auf in Richtung Glacier Blanc. Ein etwas unangenehmer Fallwind blies uns entgegen und wir hatten unsere Hardshell-Jacken übergezogen. Nachdem die Sonne aufgegangen war, lies dieser nach und es wurde uns recht schnell, angenehm warm. Die am Vortag deponierten Seile hatten wir beim Vorbeigehen mitgenommen und machten nochmals Halt unterhalb des Refuges des Écrins, um ein großes Depot an nicht benötigten Dingen anzulegen. Alles, was wir für die Besteigung des Dôme de Neige des Écrins nicht benötigten, blieb in einem großen Biwaksack, vergraben zurück. Der weitere Weg über den Gletscher führte uns unter die wilden Seracs und Eisbrüche des Écrins, wo wir außerhalb des Gefahrenbereichs die Harscheisen montierten. Schon nach kurzer Zeit mussten wir feststellen, dass es sich als Glücksgriff erwies, dass sich in großem Abstand, ca. 20 weitere Gipfelaspiranten, die alle im höher gelegenen Refuge des Ècrins genächtigt hatten, vor uns befanden und somit eine perfekt ausgetretene Spur vorherrschte. Die große Spalte im Mittelsteil war, wie am Vorabend von einem französischen Bergführer bestätigt, gut und ohne Seil zu überwinden, sodass wir bei strahlend blauem Himmel und nur wenig Wind den Gipfel erreichen konnten. Für 3 Teilnehmer war es der erste 4000er. Chapeau! Der Gipfel ließ uns in die Ferne schweifen, zu Mont Blanc, Grandes Jorasses, Matterhorn und die nahe gelegene La Meije. Nach einer ausgiebigen Pause und diversen Gipfelfotos machten wir uns in die pulvrige Abfahrt. Auch hier war die Spalte gut zu überfahren und wir kamen zügig auf den flachen Glacier Blanc zurück und zum Depot. Dort wurde wieder alles eingepackt und wir machten uns nochmals für ca. 80 Höhenmeter Aufstieg fertig, sprich, fellten auf. Am Refuge des Ècrins angekommen, stieg uns schon gleich mal der „Duft“ der Trockentoilette in die Nase, der unausweichlich war, wenn man seine Innenschuhe und Sonstiges vor der Hütte zum trocknen aufhängen wollte. Der Hüttenwirt und seine Gehilfin empfingen uns freundlich und es gab ein Lager mit Fensterblick auf den Écrins. Sonstiges Prozedere beim Check-In war wie immer, gleich. Nach dem Abendessen gab es wie auch schon in den anderen Hütten, den Wetterbericht und Lawinenlagebericht in französischer Sprache, den uns ein Schweizer Bergführer ins Deutsche übersetzte. Diesmal gab es schon einen Hinweis, dass das Wetter von Samstag auf Sonntag kapitulieren sollte, mit Neuschnee und sehr schlechter Sicht am Sonntag, unserem letzten Tourentag. Aber vorerst blieben wir gelassen, besprachen den nächsten Tag und genossen dazu einen Roten, damit wir gut schlafen konnten.
Am nächsten Morgen konnten wir es etwas gemütlicher angehen, denn wir hatten nach nur 3oo Höhenmeter Anstieg, neuerlich auf den Col Emil Pic, eine fast 1500HM Abfahrt im Nordsektor, wo es ohnehin noch recht hart sein würde. Also war um 6 Uhr Frühstück, anschließend wurde alles gepackt und so kamen wir um ca. 7 Uhr los. Wir stiegen mit Harscheisen unter die steile Rinne, die es mit Steigeisen und Pickel zu erklimmen galt. Im oberen Bereich ca. 55° steil. Der Erste oben angekommen, installierte mittels Ski einen Anker und daran ein Fixseil. An diesem konnten alle mittels Prusiks oder Microtraxion gesichert aufsteigen. Nach einer kurzen Rast machten wir uns fertig für die Abfahrt, welche im ersten Teil noch pulvrig war. Im Mittelteil wurde es dann langsam härter und teilweise eisig, was einen absolut sicheren und umsichtigen Skifahrer verlangte. Nach mehreren Zwischenstopps erreichten wir wieder den Glacier de la Plate des Agneaux auf welchem wir wieder die Felle aufzogen um in brütend heißer Sonne zum Refuge Adele Planchard 3169m aufzusteigen. Dieser Anstieg verlangte nochmals viel Durchhaltevermögen, da es wirklich abnormal heiß war. Nach einer längeren Pause auf der Hälfte der Strecke motivierten wir uns nochmals gegenseitig und schafften schlussendlich den schweißtreibenden Anstieg bis zur Hütte. Dort gab es erst einmal eine Runde kaltes Bier auf der Sonnenterrasse. Alles wurde wieder zum Trocknen aufgehängt und das Lager bezogen. Das Refuge Adele Planchard wurde erst kürzlich saniert, vergrößert und modernisiert. Nach Rücksprache mit dem Wirt, während des Check-In, erzählte er uns auf Nachfragen, dass das Wetter am nächsten Tag bereits in den Vormittagsstunden schlecht werden würde. Er riet uns davon ab, am nächsten Tag, nach der Besteigung der Grande Ruine noch auf das Refuge Promontoire zu wechseln, da auch am Sonntag Niederschlag und somit sehr begrenzte Sicht vorherzusehen war. Somit baten wir Ihn, uns auf dem Refuge Promontoire per Funk abzumelden. Wir waren uns einig, dass wir gigantisches Glück seit Beginn unserer Unternehmung hatten und wir es jetzt zum Schluss nicht übers Knie brechen sollten, mit Gewalt die letzte Etappe anzugehen. Es wäre gut möglich gewesen, dass wir bei viel Neuschnee auf der Promontoire festsitzen würden. Den Rest des Tages konnten wir mit dem Fernglas der Hüttenwirtin in einer, im Tal gegenüberliegenden Steilrinne eine Seilschaft beobachten, die eine völlig neue Linie dort begingen. Außerdem verbrachten wir die Zeit mit Ruhen, lesen und spielen. Am Abend gab es wieder ein sehr gutes Menü mit einem Roten und zum Nachtisch einen Kuchen.
Der letzte Tourentag begrüßte uns mit einem herrlichen Morgenrot, was auch der Vorbote für den Wetterumschwung sein sollte. Wir frühstückten, packten alles zusammen und stiegen auf zur Grand Ruine 3668m. Oben angekommen gab es eine kurze Rast und ein Gipfelfoto. Schnell wollten wir wieder mit Steigeisen absteigen, um zeitig abzufahren, denn das Wetter wurde rasant schlechter was einzelne Flocken und herannahende Wolken und Nebelfetzen bestätigten. Wir waren zum Glück an diesem Tag sehr schnell unterwegs und befanden uns kurz nach 9 Uhr schon in der Abfahrt. Kurz nach erreichen des Gletschers konnten wir beim Blick zurück, nach oben sehen, dass dort keine Sicht mehr herrschte, wir aber beruhigt bei guter Sicht weiter abfahren konnten. Somit ging es mit einer ausgeklügelten Spur Wahl talauswärts und es lief relativ weit in Richtung Ausgangspunkt, wo unser Bus stand. Die Ski kamen nach einer Pause nochmals an den Rucksack und wir marschierten bei heiterem Himmel bis zum Bus zurück. Dort angekommen gab es nur glückliche und zufriedene Gesichter. Wir hatten gemeinsam unvergesslich schöne, großartige und atemberaubende Tage erlebt. Das Wetter war immer gut, die Verhältnisse waren stets perfekt und es gab keinerlei Unfälle oder Verletzungen. Es war einfach nur GENIAL. Vor der Abfahrt wurde noch im eiskalten See, umrandet von Altschneefeldern gebadet und die letzten Lebensgeister für die lange Heimfahrt geweckt. Auf dem Rückweg machten wir nochmals Halt in La Grave um im Skiset, dem örtlichen Sportgeschäft ein wenig zu shoppen. Mit ein paar Souvenirs im Kofferraum ging es dann wieder in Richtung Heimat. Eine Pizza gab es dann noch in Dornbirn und zu Hause waren wir um ca. 23:30 Uhr.
Fakten: 1500 KM-Autofahrt
17 Stunden Autofahrt
Ca. 10.000 Höhenmeter Aufstieg
Ca. 100 KM-Strecke mit Ski
Besten Dank an die Teilnehmer und hoffentlich starten wir im nächsten Winter eine ähnliche Unternehmung. Timo Heinzinger