Zweieinhalbtagestour auf die Vertainspitze (3545m) und Hoher Angelus (3521m) in den Ortleralpen am 31. Juli/ 01. August 2021

Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude, uns so können wir es kaum noch erwarten, am Ende der Arbeitswoche, am Freitagmittag am Feuerwehrhaus in Steingaden ins Auto zu steigen und bei bestem Wetter Richtung Südtirol aufzubrechen. Als Anfahrtsweg wählen wir das Hahntennjoch, eine interessante Alternative zur an solchen Wochenenden chronisch staugeplagten Fernpaßstrasse. Die Wetterprognosen sind, wie so oft in diesem Sommer 2021, recht durchwachsen, aber wir hoffen in Südtirol positiv überrascht zu werden. Von Sulden (1860m) steigen wir in 2h durchs Zaytal zur Düsseldorfer Hütte (2721m) auf, unser Quartier für die kommenden 2 Nächte. Wie es bei Mehrtagestouren so üblich ist, stellt sich ab dem späten Nachmittag eine recht gesellige Hüttenatmosphäre ein, nicht zuletzt wegen des wohlverdienten Feierabendbiers, die am späteren Abend noch in spontane Gesangsrunden, unterbrochen von Tourenplanungsversuchen, mündet. Wegen der, wieder einmal, unsicheren Witterungsverhältnisse, lassen wir uns ein Thermofrühstück herrichten und brechen um 4 Uhr im Licht unserer Stirnlampen Richtung Vertainspitze auf. Apropos unsichere Witterungsverhältnisse: zu dem Zeitpunkt zieht ein größerer Gewitterkomplex südlich des Ortlers vorbei (das Donnergrollen war bereits hörbar), dessen Zugrichtung verheisst für uns, nach anfänglichen Unsicherheiten, jedoch keine Gefahr. Das haben sich auch die Ortlergipfelaspiranten an diesem Tag gedacht, deren Stirnlampen wir oben am Payergrat beobachten können. Der Weg führt uns an den südlichen Ausläufern der Vertainspitze vorbei ins Rosimtal, welches oberhalb einer Steilstufe vom Rosimferner abgeschlossen wird. Durch den abwechslungsreichen Zustieg bis hierher ist die Tour jetzt schon hochinteressant, v.a. aber orientierungstechnisch anspruchsvoll.

Der weitere Weg hinauf auf die Steilstufe und auf den unteren Teil des Gletschers ist nur dürftig bis gar nicht markiert, so dass Konzentration bei der Wegfindung gefragt ist. Am linken Rand (in Gehrichtung) des Gletschers, welcher nach ca. 200m wieder verlassen wird, zieht sich der Anstieg an der SO-Flanke der Vertainspitze ins Rosimjoch empor und nach Querung eines weiteren Gletscherfeldes in der S-Flanke des Gipfelaufbaus hinüber zum SW-Grat, welcher in anregender Blockkletterei überwunden wird. Alle Teilnehmer sind sich einig: Der Ausblick entschädigt für alle Mühen! Vor uns leuchtet das Dreigestirn der Ortleralpen Ortler-Monte Zebru-Königsspitze in der sommerlichen Mittagssonne. Nach ausgiebiger Gipfelrast treten wir den Abstieg auf der gleichen Route wie den Aufstieg an. Um zuletzt aber noch etwas Variation in die Tagestour zu bringen, steigen wir, oder wenigstens die Hälfte der Gruppe, nachdem wir den unteren Rosimboden erreicht haben, auf alten Jagdsteigen und über große Blockfelder direkt, d.h. oberhalb des Aufstiegsweges, zur Düsseldorfer Hütte zurück, während sich die zweite Hälfte der Gruppe mit der markierten Aufstiegsroute begnügt. Auch der zweite Hüttenabend wird wieder legendär, nachdem sich herausstellt, dass alle(!) Teilnehmer Watten (für alle Nichtspieler: ein altbayerisches Kartenspiel für Fischer, Jäger und andere Lügner) können und bei 6 Leuten gleich 3 Mannschaften á 2 Mann (bzw. Frau) zusammengestellt sind. Und so vergeht auch der zweite Abend in heiterer Runde, während draussen das Gewitter tobt und die Schneefallgrenze auf 2800m absinkt. Die veranlasst uns zu einer spontanen Planänderung: Anstatt am nächsten Tag frühmorgens zum Hohen Angelus aufzubrechen, bleiben wir nach dem Frühstück gleich sitzen und spielen einfach genauso weiter, wie wir am Abend vorher aufgehört hatten. Nachdem der Regen mittags nachgelassen hatte mussten wir die Frühschoppenrunde dann doch irgendwann beenden und haben als „Ersatzgipfel“ noch das „Hintere Schöneck“ (3125m) auf dem Weg zurück nach Sulden gleich mitgenommen. Auch bei suboptimalen Wetterverhältnissen ein machbares Ziel, da ein bezeichneter Steig den Gipfel überquert. Um den Tag noch abzurunden, besuchen wir in Sulden noch das Messner-Mountain-Museum, welches dem großen Thema „Eis- und Gletscherwelten“ gewidmet ist, ein durchaus passender Ausstellungsschwerpunkt in dieser Umgebung. Von der Ausrüstung der Ortlererstbesteiger bis zu einer großen Fotogalerie mit Gletschern in den Dimensionen von vor 100-150 Jahren ist dort einiges zu bewundern. Und natürlich: keine AV-Tour darf ohne Einkehrschwung zu Ende gehen und so finden wir in Prad noch eine kleine gemütliche Pizzeria mit hervorrangendem Angebot (bleibt ein Geheimtipp!!!), in der wir unsere Erlebnisse des Wochenendes nochmals Revue passieren lassen.

Niko Fischer